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Stiftung macht Winterseminar am 28.02.24 möglich

Die Referentenkosten für das diesjährige Winterseminar in Laubuseschbach hat die Stiftung getragen. Der "hauseigene" Referent der EKHN war erkrankt und Pfarrer Jörg Keller fand einen ebenso kompetenten Fachmann, der aus Köln anreiste. Lesen Sie hier den Rückblick auf den Abend, verfasst von Pfr. Uli Finger:

Parolen Paroli bieten

Gut besuchtes Winterseminar der Evangelischen Kirche in Laubuseschbach

Weilmünster-Laubuseschbach (uf). Unter dem Titel "Vorurteile, dumme Sprüche, rechte Parolen - Anregungen für einen beherzten Umgang mit populistischen Aussagen" stand ein Workshop im Dorfgemeinschaftshaus von Laubuseschbach, zu dem die evangelische Kirchengemeinde eingeladen hatte. Eigentlich hatte man sich ja im nahen evangelischen Gemeindehaus treffen wollen, aber aufgrund der hohen Anmeldezahlen fand die Veranstaltung im Saal des Dorfgemeinschaftshauses statt.

Und so waren dann gut 50 Personen dabei, als Gemeindepfarrer Jörg Keller den Seminarabend eröffnete. Er erinnerte daran, dass es auch ihm immer wieder passiere, dass er mit platten rechtspopulistischen Parolen konfrontiert würde, die ihn zuerst sprachlos machten. Und oft fiele ihm erst später ein, was er alles hätte entgegnen können.

In seinen einführenden Gedanken erinnerte Keller an den Theologen Dietrich Bonhoeffer, dessen Gedicht "Von guten Mächten" angesichts seines absehbaren Todes geschrieben wurde. Schließlich hatte er angesichts von Krieg und Menschenrechtsverletzungen von seiner Kirche gefordert, "nicht nur die Opfer unter dem Rad zu verbinden, sondern auch dem Rad aktiv in die Speichen zu greifen". In den letzten Wochen des 2. Weltkrieges wurde der Pfarrer und aktive Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer von Nazischergen im Konzentrationslager Flossenbürg umgebracht.

Bevor es mit der Seminararbeit weitergehen sollte, begrüßte namens des Organisationsteams auch Gabi Keller die Teilnehmenden und lud ein, sich später an den Materialtischen und auch an einem kleinen, kommunikativen Imbiss zu beteiligen.

Als Referent des Abends war für den erkrankten Mitarbeiter des Zentrums Gesellschaftliche Verantwortung der EKHN der Theaterpädagoge und Schauspieler Jürgen Albrecht kurzfristig eingesprungen, der schon seit vielen Jahren Kurse des "Argumentationstrainings gegen Stammtischparolen" leitet.

In einer ersten Runde rief Albrecht die Erfahrungen und Erwartungen der Teilnehmenden des Abends ab. Und schnell standen mehr als 20 Beispiele populistischer Parolen auf der großen Wandzeitung vor der Bühne des Dorfgemeinschaftshauses.

In nächsten Durchgang wurde es praktisch: In zwei großen Kreisen standen sich die Teilnehmenden gegenüber; eine Person in den Zweiergruppen sollte eine Parole aussprechen, die andere dieser Parole Paroli bieten, also widersprechen. Nach mehreren Durchgängen dieser Zweiergespräche wurden die Erfahrungen ausgewertet.

Wenn Parolen in der Regel "in Worte gefasste Vorurteile" sind, dann gelte es, diese Vorurteile zu hinterfragen, um auch die Parolen zu entkräften. Und so nannten die Teilnehmenden der Zweierarbeiten ihre Erfahrungen und Methoden, wie sie ihren Gegenübern freundlich aber bestimmt entgegengetreten waren. Und auch den Versuchen ihrer Gegenüber, durch "Parolen-springen" den Gegenargumenten zu entkommnen, zu widerstehen.

Oft reiche schon die Aufforderung, platte Verallgemeinerungen aufzulösen oder durch Belege zu untermauern, dass aus einer steilen Parole eine unsicheres Zurückweichen werde.  Natürlich könne man versuchen, manche Aussage auf ihren Gefühlsgehalt zu "spiegeln" oder durch das Nennen der eigenen (demokratischen, christlichen, humanen) Werte diese Parolen als Parolen zu entkräften.

Dass es in der letzten Zeit zu einer deutlichen Zunahme solcher Parolen komme, belege auch die aktuelle "Neue Mitte Studie 2023", die im Aufragen der Friedrich-Ebert Stiftung regelmäßig durch die Universität Bielefeld erstellt werde. Nach den aktuellen Zahlen hätten etwa acht Prozent der Bundesbürger ein manifest rechtsextremes Weltbild mir rassistischen, homophoben, antisemitischen und vor allem gegen die Freiheitlich-Demokratische Grundordnung gerichteter Stoßrichtung. Etwa 20% der Befragten würden der "Grauzone" zugerechnet, also jenen Menschen, die sich gegenüber so einem rechtsextremistisches Weltbild nicht abgrenzten. Etwa 17% schließlich befürworteten Gewalt und knapp sieben Prozent sprächen sich offen für eine rechtsgerichtete Diktatur aus. Erschreckend dabei, so Albrecht, dass es gerade in der jüngeren Generation eine starke Zunahme der "neuen Rechten" gäbe.

Er selbst, so der Pädagoge und Rundfunksprecher, befürworte Zusammenhalt, Solidarität und Wissenschaft. Und das gelte auch für etwa 75% der Befragten.

Nachdem in einer abschließenden Runde die eingangs geäußerten und aufgeschriebenen Parolen in den Tischgruppen noch einmal mit vielen Beispielen widerlegt worden waren, fassten in der abschließenden Auswertungsrunde die Teilnehmenden, darunter auch Konfirmanden, die Ergebnisse des Abends in Worte: "Wir sind viele" und "Ich bin nicht allein" waren wichtige Erfahrungen. Und eine Teilnehmerin sprach gewissermaßen das Schlusswort für viele: "Ich habe jetzt mehr Traute, in die nächste Auseinandersetzung zu gehen."

 

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